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Dr. Bernd A. Gülker, Kunsthistoriker, Einführungsrede zur Vernissage der Fotoausstellung "Alltagsgeschichten" in der Gelsenkirchener Galerie "werkstatt" am 28.04.2023.

Wenn man die Fotografie zu den Kunstgattungen rechnet, hat keine Gattung größere Veränderungen und Umwälzungen erlebt, und dies in relativ kurzer Zeit. Schon früh wurde mit Traditionen gebrochen, wurden neue Wege für fotografische Sichtweisen eröffnet.
Längst vorbei sind die analogen Zeiten, als Fotografe noch etwas Geheimnisvolles an sich hatte. Wo sie an einem mystischen Ort, in der Dunkelheit des Fotolabors, gleichsam erst zum Leben erweckt wurde. Dort hantierte der Fotograf mit allerlei Flüssigkeiten, um
nach zum Teil aufwändigen vorbereitenden Arbeitsprozessen schließlich Zeuge werden zu können, wie das Motiv auf dem belichteten Bildträger wie durch Geisterhand Gestalt annahm. Und ähnlich entzaubert sich aktuell die digitale Fotografe. Konnte bislang noch davon ausgegangen werden, dass keine Fotografe ohne ein Objekt denkbar sei, das Fotografie auf ein Geschehen, das dagewesen ist, angewiesen sei „wie der Kaffee auf die Bohne“, wie es Klaus Honnef einmal formulierte, so bröckelt nun auch diese Gewissheit. Stichwort: Künstliche Intelligenz. Wir können unseren Augen bald nicht mehr trauen.
Und es vermag kaum noch jemand die Anzahl der Bilder zu benennen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind. Und es werden immer mehr. Nicht allein Printmedien und Werbung sondern auch Film, Fernsehen und erst recht die digitalen Möglichkeiten beschleunigen die ununterbrochene und grenzenlose Verbreitung von Bildern.
Peter Reski richtet sein Objektiv auf das Leben der Zeitgenossen und lässt sich dabei nicht von den digitalen Möglichkeiten zu Veränderungen der Wirklichkeit verleiten. Ab und an garniert er zwar seine schwarz-weiß Fotografen mit kleinen farbigen Pointen, doch bleibt dabei das eigentliche Szenario unangetastet. Ihn interessieren Menschen, denen er in seiner unmittelbaren Umgebung und auf seinen Reisen begegnet.
Mit seinen zeitdokumentarischen Fotografen möchte Peter Reski immer auch ein wenig vom Alltag, vom Leben seiner Begegnungen festhalten und so weitergeben. Scheinbar Belangloses wird so an die Öffentlichkeit geholt, ganz gleich, ob es sich um angestrengte Straßensänger, urlaubende Unbekannte, fröhliche Ladenbesitzer, lächelnde Wachmänner oder tätowierte Szenegrößen handelt.
Die Kamera ist dabei mitunter der Türöffner zur Kontaktaufnahme, für kurze oder längere Unterhaltungen. Nicht selten wird der Wunsch nach einem Foto von seinem jeweiligen Gegenüber an ihn herangetragen. Doch auch Momentaufnahmen, Straßenszenen entstehen und leben von den unverstellten, überraschten Blicken seines Bildpersonals.
Ein besonderes Augenmerk legt Peter Reski immer wieder auf Situationen, Menschen in ihrem beruflichen Umfeld ablichten zu können. Da ist der Kellner auf Kreta, der sich in Pose wirft, als ginge es darum, das Ansehen seines gesamten Berufsstandes ins rechte Licht zu rücken. Dabei umfasst er sein Arbeitsgerät, ein rundes Serviertablett und hält es fest an den Körper gedrückt, in Haltung und Gestus einem Gardeoffizier nicht unähnlich. Da ist die Raumpflegerin einer Klinik in Herten, die in Festtagskleidung zum Fototermin erscheint und ihren ganzen Stolz am vollbepackten Putzwagen in die Aufnahme hineinlegt.
Auch intensive klassisch anmutende Porträts zeugen von seiner Fähigkeit, den entscheidenden Moment abzuwarten und festzuhalten, in dem etwas von der privaten Sphäre, der Innenwelt eines Menschen preisgegeben wird. Dies wird auch schon in den frühen Arbeiten aus den späten 70er Jahren spürbar.
„Jedes Foto ist für mich das bleibende Dokument eines winzigen Augenblicks, den es so vorher noch nie gab und auch nie wieder geben wird.“ sagt Peter Reski über seine Arbeit.
Unspektakulär und einfühlend gelingt dem Fotografen der ganz besondere Blick aufs alltägliche: die Frau, in der Recklinghäuser Innenstadt in ein Buch versunken, der junge Barmann mit nacktem Oberkörper in der Bretagne, der trendige Selbstdarsteller mit Sonnenbrille unter einem Schild mit der Aufschrift „Heiße Bowle“ - wie hier, sind es oft nur Kleinigkeiten, die Peter Reskis Bilder zu etwas Besonderem machen, etwa wenn die Zuckerstange im Mund eines Kleinkindes in Irland auf den ersten Blick wie eine Zigarette aussieht.
Bisweilen macht Peter Reski aus der Not eine Tugend. Wenn der Raum zu eng ist wird der Kutterkapitän kurzerhand von außen durch die Scheibe seines Steuerstands fotografiert, so als habe der dort angebrachte Scheibenwischer soeben für klare Sicht auf den schemenhaften Kopf des Seemanns gesorgt. Oder der Wechsel der Perspektive bei einem Open-Air-Konzert, wo gerade der Blick vom Standpunkt hinter der Bühne auf die Protagonisten eine spannende neue Sichtweise eröffnet.
Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein ist eine Sache. Viele Fotografen von Peter Reski entstanden auch, wenn er zur falschen Zeit am richtigen Ort war. Oder auch zur falschen Zeit am falschen Ort. Wenn es kein Ereignis gibt werden seine Bilder zum Ereignis – aufgeladen mit Sensationslosigkeit, und hinter jeder Aufnahme steht nicht nur Zeitgeschichte sondern oft auch eine Geschichte hinter der Geschichte.
Neugierig zu sein auf die Welt, verbunden mit einer nachhaltigen Unerschrockenheit vor dem Motiv haben Peter Reski dabei geholfen, die Aura und das Besondere so vieler Momente und Menschen mit zeitdokumentarischen Fotografen einfangen zu können.
Bilder werden zu Zeichen und die Redensart, wonach ein Bild mehr sage als tausend Worte, ist für seine Fotoarbeiten der Rubrik „Alltagsgeschichten“ sicher mehr als zutreffend.



Auszug aus der Rede von Dr. Falko Herlemann anläßlich der Ausstellungseröffnung "Skulpturen und Konkrete Poesie", Ingeborg Stelzer und Peter Reski, in der Galerie "werkstatt". Gelsenkirchen-Buer im Januar 2014.

Peter Reski arbeitet mit Fundstücken.Seine Funde sind Texte. Oft sind es Gedichte, mal aber auch einzelne Worte, Buchstaben oder Songtexte. Es ist sein Interesse an Literatur, dass seine Bilder bestimmt.

Peter Reski nimmt diese literarischen Vorlagen auseinander. Da werden schon mal einzelne Buchstaben aus Texten ausgezählt und analysiert. Einzelne Worte werden vervielfacht, immer wieder aneinandergereiht. Oder Zeilen aus Gedichten oder Songtexten wiederholen sich.

Aus diesen Grundelementen, aus dem literarischen Ausgangsmaterial schafft Peter Reski Bilder. Mal werden sie neu am Computer gesetzt, meist aber ganz traditionell mit der Hand geschrieben.

Es sind keine Illustrationen von Texten, sondern er arbeitet mit der Schrift. Literatur ist sein künstlerisches Material. Das kann ein Gedicht von Heinrich Heine ebenso sein wie ein Songtext von Donovan oder Frank Zappa.

In seinen Arbeiten zeigt sich der Übergang von einem Medium zum anderen. Aus Worten werden Bilder.

Seine Bilder setzen sich vordergründig aus fast geometrischen Elementen zusammen. Da finden sich Quadrate oder Rechtecke. Das sieht oft sehr konstruktiv aus. Dann gibt es aber auch geschwungene und eher fließende Strukturen. Bewegungen, die zum Stillstand gebracht werden. Die Struktur, so sagt Peter Reski selbst, ist aber eher zufällig. Sie entsteht beim Arbeiten, beim neuen Schreiben der Texte.

Peter Reskis Arbeiten laden zu einer ganz unterschiedlichen Betrachtungsweise ein. Schaut man aus der Ferne sehen wir die Formen, die bildnerische Komposition. Die Strukturen, die einzelnen Formelemente, die Farbe. Also immer eine Makrostruktur. Erst wenn wir dann ganz direkt vor seine Blätter treten entdecken wir die Texte. Wir versuchen Worte zu entziffern. Versuchen, die Sätze zusammenzusetzen. Und auch deren Inhalte, deren Bedeutung zu entschlüsseln.

Manchmal klappt das, manchmal aber auch nicht. Manchmal werden wir aber auch ganz bewußt in die Irre geführt, wenn wir da z. B. von roten oder blauen Quadraten lesen aber keine Farben sehen.

 

 

 

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